Prof. Dr. Johann Ceh

Biberach

BärFrequently Asked Questions (Häufig gestellte Fragen)

F:  Wie entscheide ich am besten? 

A:   Mal Intuition, mal Strategie – Rational oder intuitiv entscheiden?   Nicht selten steht man vor der Frage: „Wie entscheide ich am besten?“

Als Antwort werden die unterschiedlichsten Ratschläge gegeben:
„Lass deinen Verstand walten!“ heißt es traditionell und ebenso häufig: „Höre auf dein Herz!“ - oder platter: „Hör auf deinen Bauch!“
Es gibt Bücher, die simple Entscheidungsweisen – Heuristiken genannt – anpreisen und gleichzeitig bietet zum Beispiel die „Theorie der rationalen Entscheidung“ (rational choice theory) immer kompliziertere Formeln zur Berechnung der besten Entscheidung an. Bauch
Wie findet man sich da noch zurecht?  
„Mir persönlich gefällt´s ja, aber ich möchte das nicht aus dem Bauch heraus entscheiden!“ Diesen Satz bekommt man von Entscheidern oft zu hören, wenn es etwa um die Beurteilung von betriebswirtschaftlichen Belangen geht.   Intuitiv zu entscheiden fällt im internationalen Vergleich besonders uns Deutschen eher schwer. Als rationale Menschen trauen wir lieber einer Zahlenreihe als dem eigenen Gefühl. Mit dem Begriff „German Angst“, der sich als „Germanismus“ in die englische Sprache eingebürgert hat, wird im angelsächsischen Sprachraum die als charakteristisch empfundene kollektive Verhaltensweise der typisch deutschen „Zögerlichkeit“ bezeichnet.  
Klar ist: Je komplexer die Sachlage, desto mehr sehnt man sich nach einem Rechtfertigungsgerüst für seine Entscheidungen. Wenn die Zahlen einem den Entschluss abnehmen, ist man am Ende nicht schuld, wenn´s schief geht.
Selbst Internet-Online-Partnerportale operieren mittlerweile mit „wissenschaftlichen“ „Matching-Tests“.  
In unserem Alltag gibt es ganz unterschiedliche Entscheidungssituationen, die ganz unterschiedliche Arten von Entscheidungsweisen bedingen: „Große Dinge“: Partner- , Berufs-, Arbeitsplatzwahl, schwerwiegende geschäftliche Entscheidungen, … und eher alltägliche Dinge wie: Einkaufen, Speisen- und Getränkeauswahl in einem Restaurant, Verhalten im Straßenverkehr, … .  
Der Hirnforscher Gerhard Roth unterscheidet fünf Haupttypen von Entscheidungen, die durch unterschiedliche Teile des Gehirns gesteuert werden und ganz unterschiedlich ablaufen. Die einen sind eher bewusst, die anderen eher unbewusst, die einen sind eher rational die anderen eher emotional.

- Automatisierte Entscheidungen

Dazu gehören die meisten Entscheidungen unseres täglichen Lebens. Wir treffen sie mehr   oder weniger unbewusst, in jedem Fall aber ohne größeres Nachdenken.  

 - Bauchentscheidungen

Das sind spontane, affektive Entscheidungen, die den automatisierten Entscheidungen ähnlich sind   und unter Zeitdruck getroffen werden.   -

- Bauchentscheidungen II  

Dabei geht es um emotionale Entscheidungen ohne Zeitdruck. Hierbei gibt man sich ganz dem Gefühl hin und verzichtet bewusst oder notgedrungen darauf, sich über die Konsequenzen des  Handelns klar zu werden.  

- Reflektierte (rationale) Entscheidungen

Sie sind der krasse Gegensatz zu Bauchentscheidungen. Gefühle gelten hierbei als störendes  Beiwerk. Man überlegt intensiv und wägt zwischen Alternativen und ihren Konsequenzen ab. Fakt ist, dass bei diesen Entscheidungen ein Kampf zwischen Verstand und Gefühl, zwischen   Motiven und Gegenmotiven stattfindet, dass es also gar keine rein rationalen Entscheidungen   geben kann (Gerhard Roth: „Die reine Vernunft ist wirkungslos.“). Die Letztentscheidung wird immer emotional getroffen.   Der Sozialpsychologe Ap Dijksterhuis erforscht die mentalen Prozesse, die sich bei komplexen Entscheidungen im Gehirn des Menschen abspielen. Seine diesbezügliche  These: Je schwieriger eine Wahl zu treffen ist, desto mehr sollte man seinem Unbewussten vertrauen.  

- Aufgeschobene intuitive Entscheidung

Intuition ist eine Fähigkeit, die uns auf der Basis gemachter und gelebter Erfahrungen Muster  erkennen lässt, die wir rational nicht fassen können, die aber dennoch mehr sind als bloßer Instinkt.   Dieser Entscheidungstyp eignet sich für relativ komplexe Situationen. Man beherzigt dabei den Rat: “Folge deiner Intuition!“
Der Ablauf ist folgender: Eine Zeit lang über den Sachverhalt, der zur Entscheidung ansteht, nachdenken, dann die Angelegenheit für ein paar Stunden oder Tage ruhen lassen und sich dann relativ spontan entscheiden.  
Die Informationsverarbeitung in unserem Gehirn erfolgt in drei Ebenen: Bewusstsein, Unbewusstes, Vorbewusstes. Das Bewusstsein ist in der Großhirnrinde lokalisiert, Unbewusstes und Vorbewusstes sind im limbischen System beheimatet. Ins Vorbewusste abgesunken ist alles, was aktuell nicht bewusst ist, aber einmal bewusst war und unter bestimmten Umständen wieder bewusst gemacht werden kann.
Dieses Vorbewusste ist – im Gegensatz zu dem, was wir bewusst verarbeiten können – schier unbegrenzt, weil wir praktisch alles behalten, was wir erlebt haben, ohne uns jedoch an alles erinnern zu können. Dieser Sachverhalt begründet die besondere Problemlösungsfähigkeit des Vorbewussten.
Das  Bewusstsein schafft es im Vergleich dazu gerade mal 40 Sinneseindrücke gleichzeitig zu verwalten. Der Rest muss schon aus purem Mangel an Verarbeitungskapazität dem Autopiloten im Kopf überlassen werden. Manchen Laien mag die Verlässlichkeit intuitiver Entscheidungen wenig erstaunen. Jeder hat wohl schon mal die Erfahrung gemacht, dass eine plötzliche Eingebung sich allen Abwägungen der  Vernunft als überlegen erwies.

Für Hirnforscher indes galt lange uneingeschränkt das Primat der Ratio. Sigmund Freuds Gerede vom „Unterbewussten“ war ihnen suspekt. Ein Naturwissenschaftler, der bis in die fünfziger und sechziger Jahre  des vorigen Jahrhunderts dieses Wort in den Mund nahm, wurde in seinen Kreisen schief angeguckt. Hirnforscher können heute recht genau beschreiben, wo und wie Verstand und Gefühl beim Treffen einer komplexen Entscheidung zusammenwirken. LimbischesSystem
Bei der sogenannten funktionellen Kernspintomographie kann man zum Beispiel sehen, welche Regionen unter der Schädeldecke etwa beim blitzartigen Abwägen von Entscheidungsalternativen eine Rolle spielen.   Neben der groben Unterscheidung zwischen der eher analytischen linken und der eher gefühlsbezogenen rechten Gehirnhälfte betrachten Hirnforscher vor allem das Stirnhirn und das limbische System.
Das Stirnhirn – besonders seine linke Seite – gilt als zentrale Schaltstelle des Verstandes. In seinem oberen Bereich sind Fähigkeiten wie planvolles Handeln, das Erfassen von Sachlagen und das Entwickeln von Zielvorstellungen lokalisiert. Der untere, knapp über dem Auge liegende Teil überprüft die längerfristigen Folgen unseres Tuns. Beide Stirnareale sind mit dem limbischen System im Innern des Gehirns verknüpft, dem Sitz der Emotionen.
„Das limbische System hat gegenüber dem rationalen das erste und das letzte Wort.“ (Gerhard Roth).  
„Habt den Mut, eurer Intuition zu folgen. Bleibt hungrig, bleibt verrückt!“Jobs Diesen Rat gab Steve Jobs – Mitgründer und langjähriger CEO von Apple Inc. -  Hochschulabsolventen.
2001 war der Zeitpunkt für die Markteinführung des iPod denkbar ungünstig: Die New Economy war gerade zusammengebrochen, und das neue Gerät galt Experten als  viel zu teuer. Viele Analysten hatten  Steve Jobs  von dem riskanten Schritt abgeraten,den digitalen Musikplayer auf den Markt zu bringen. Doch Jobs ließ sich nicht beirren, vertraute seinem Bauchgefühl  und revolutionierte mit dem „Walkman für das 21. Jahrhundert“die Musikwelt.  

Woher wissen wir, ob eine Entscheidung richtig ist, ob wir eine gute, eine kluge Wahl getroffen haben und welches der beste Zeitpunkt ist, um etwas zu verändern?

Die wichtigste Erkenntnis in diesem Zusammenhang ist, dass wir diese Gewissheit nicht „herstellen“ können. Ein Immer-Mehr an Informationen, an Kriterien und Pro-und-Kontra-Listen führt leider nicht zwangsläufig zu einer richtigen Entscheidung, sondern oft genug zur totalen Verwirrung. Das liegt daran, dass die Dinge meist viel weniger in strategischen Wenn-Dann-Überlegungen oder gut strukturierten und mit Gewichtungsfaktoren versehenen Listen und Tabellen unterzubringen sind, als uns lieb ist.  

Kein Mensch entscheidet wie ein anderer, selbst wenn es von außen betrachtet so aussieht. Jeder bringt seine eigene Geschichte, seine Perspektive mit ins Spiel. Gute Entscheidungen setzen deshalb voraus, dass wir uns selbst gut kennen und wissen, was wir können und wollen, aber auch, was wir nicht können, welche Wahlmöglichkeiten einfach eine Nummer zu groß für uns sind, nicht zu uns passen oder einfach noch nicht an der  Zeit sind. Alles im Leben hat bekanntlich seine Zeit – und braucht seine Zeit.           


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