Prof. Dr. Johann Ceh

Biberach

BärFrequently Asked Questions (Häufig gestellte Fragen)

F: Wie kann man gute Vorsätze möglichst auf Dauer in die Tat umsetzen?


A:    Ein Vorsatz ist das, was wir uns als neues wünschenswertes Verhalten vor Augen halten. Viele Menschen beschließen, Dinge zu tun, aber sie tun sie dann doch nicht. Viele gute Vorsätze scheitern

„Ich glaube, dass die Ungeduld, womit man seinem Ziel zueilt, die Klippe ist, woran gerade oft die besten Menschen scheitern.“ (Friedrich Hölderlin) 
„Der Ungeduldige fährt sein Heu nass ein“ (Wilhelm Busch) – und riskiert dabei Verschimmelung oder Heustockbrand.
„Was langsam wächst, das wird doppelt stark.“  (Conrad Ferdinand Meyer).

GehirnDie Gehirnregion, die verrät wie wir uns in Zukunft bewusst verhalten werden, ist der mittlere präfrontale Cortex. Er ist Teil des Frontallappens  der Großhirnrinde, liegt etwa zwischen den Augenbrauen und ist für unsere Selbstreflexion zuständig. Den größten Teil unserer Entscheidungen treffen wir jedoch gar nicht bewusst. Unser  Bewusstsein steht in der neuronalen Hierarchie nicht ganz oben, sondern unbewusste Prozesse, die in tiefer liegenden und entwicklungsgeschichtlich älteren Teilen des Gehirns ablaufen, stehen darüber. Wir tun vieles „aus dem Bauch heraus“.

Bestimmte Denk- und Verhaltensmuster prägen sich als Gewohnheiten ein. Über Synapsen bilden sich in unserem Gehirn Leitungsbahnen heraus, die mit der Häufigkeit ihrer Erregung gestärkt werden. Man spricht bei diesen „Datenautobahnen“ flapsig von „Neuronalen Trampelpfaden“. Genau darin liegt der Grund, warum es uns so schwer fällt, uns zu verändern: Unser Unterbewusstsein vertraut den bewährten neuronalen Autobahnen oft mehr als neuen Trampelpfaden, die erst noch getreten werden müssen. Die Autobahnen sind so breit und so bequem, dass wir sie irgendwann automatisch benutzen. Ehe wir uns versehen läuft alles ganz fix hierüber ab – und wir haben wieder nach altem Muster reagiert oder gehandelt. Einmal gebahnte Reaktionswege können zudem nicht mehr aufgelöst werden, d.h. geknüpfte synaptische Verbindungen bleiben ein Leben lang bestehen.

Um eine gelernte (gebahnte) Verhaltensweise (zum Beispiel eine Angstreaktion!) aufzugeben, muss man die alte Bahnung hemmen. Will man (gleichzeitig) ein neues Verhalten begründen,  muss man eine Neubahnung herstellen, also spezifische  Neuronen neu verknüpfen. Damit die neue neuronale Verknüpfung stabil wird, ist die häufige Wiederholung des angestrebten Verhaltens notwendig. Je öfter wir eine entsprechende Reaktion wiederholen, desto mehr entsprechende Neuronen verbinden sich und je selbstständiger läuft die Reaktion schließlich ab. „Seine neuronalen Strukturen zu ändern, ist ganz und gar nicht leicht, denn die meisten davon, und ganz besonders die, die Schwierigkeiten machen, sind sehr gut gebahnt und laufen darüber hinaus ohne Bewusstsein ab.“ (Klaus Grawe) „Das Gehirn trachtet immer danach, Dinge zu automatisieren, Gewohnheiten auszubilden, und besetzt dies mit deutlichen Lustgefühlen.“ (Gerhard Roth) 

 Am Bewährten festzuhalten vermittelt zudem das Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit und dämpft die Furcht vor der Zukunft. Jede Verhaltensänderung stellt dagegen ein gewisses Risiko dar. Veränderung bedeutet, die bequeme Komfortzone zu verlassen. Wenn wir uns verändern wollen, müssen wir Neues lernen (bzw. hinzulernen).
Jedes Mal, wenn wir etwas Neues lernen,  entstehen neue  Verbindungen in unserem Gehirn – Lernvorgänge führen also zu neuen neuronalen Vernetzungen. Verändern heißt, sich aufmachen, um einen neuen Weg zu gehen. Auf dem Weg der Veränderung sind viele kleine Schritte notwendig.
Wie schwierig und fallenreich eine wirklich radikale Lebenswende ist, hat zum Beispiel der Kirchenlehrer Augustinus in seinen „Confessiones“ eindrucksvoll geschildert. Als er sich zum Christentum bekehrte, entnahm der bis dahin lebenslustige  junge Mann den Briefen des Apostels Paulus den Auftrag, künftig in Gottesliebe und Keuschheit zu leben:
„Da sprach ich in meines Herzens Grunde zu mir: Bald, bald wird es geschehen! … Fast tat ich´s und tat´s doch nicht. … Zurück hielten mich die Nichtigkeiten und Eitelkeit. Meine alten Freundinnen zerrten mich am Mantel meines Fleisches und flüsterten mir zu: Was, du willst uns verlassen?“

Patentrezepte für das Einhalten guter Vorsätze es gibt schon deshalb nicht, weil die menschlichen Persönlichkeitsstrukturen zu unterschiedlich sind. Einige psychologische Strategien können jedoch dabei helfen, durchzuhalten. Wer eine Angewohnheit aufgeben möchte, sollte zuerst ergründen, warum er diese Angewohnheit hat. Ein Mensch, der zum Beispiel jeden Tag eine Tafel Schokolade isst, weil er frustriert ist, muss  - wenn er seinen Verzicht-Vorsatz durchhalten will - die Frustrationsquelle  suchen und „trocken legen“. Zudem sollte er sich überlegen, was er als für ihn positive Alternative  machen möchte. SchokoladeStatt zur Tafel Schokolade zu greifen, könnte  er zum Beispiel für sich Tee kochen, wenn er ein Freund dieses Getränkes ist.
Setzen Sie sich realistische Ziele. Gute Vorsätze scheitern oft daran, dass Sie nicht konkret genug sind, dass man selbst nicht wirklich dahinter steht (es macht nicht unbedingt glücklich, die Ziele anderer zu verwirklichen!) oder, dass man sich zu viel vornimmt  (das Einhalten einer ganzen  Litanei von Vorsätzen überfordert kräftemäßig!). Formulieren Sie Vorsätze positiv. Wenn Sie sich verbieten Schokolade zu essen, denken Sie den ganzen Tag an diese Süßigkeit und der Heißhunger wird immer größer. Einen Vorsatz umzusetzen fällt leichter, wenn damit positive Gefühle verbunden werden.
Also statt:  „Keine Schokolade mehr!“, könnten Sie sich vornehmen: „Ich erlaube mir jeden Tag mit Genuss einen Riegel Schokolade!“. Es macht keinen Sinn, das Verhalten ändern zu wollen, wenn man angespannt, gestresst oder krank ist.
Verhaltensänderungen kosten  nun einmal viel Kraft. Schon bei Ignatius von Loyola findet sich der Rat, nichts in der Krise zu entscheiden. Vieles gelingt leichter, wenn man sich Verbündete sucht: Der Freund, der einen zum Sport abholt, die Selbsthilfegruppe, die sich gegenseitig Tipps gibt, … . Wer sich für das, was er geschafft hat, selbst auf die Schulter klopft, motiviert sich zum Durchhalten. Kleine Belohnungen zwischendurch, spornen ebenfalls an: „Wenn …, dann … .“

Auch die Motivationspsychologin Gabriele Oettingen (New York University) hat sich zu der Thematik Gedanken gemacht. Ihre These lautet:
Sich die Zukunft rosig auszumalen reicht nicht, man muss die Wirklichkeit gegenüberstellen. Wenn man das gewünschte Ergebnis kennt und die Hürden auf dem Weg dorthin, kann man sein Ziel besser verfolgen – und erreichen. „Mentales Kontrastieren“, MCII (Mental contrasting with Implementation Intensions) nennt sie das. Mentales Kontrastieren fußt darauf, sich die erwünschte Zukunft in den schönsten Farben gedanklich auszumalen – und dann einem „Hindernis-Check“ zu unterziehen.
Wenn ich weiß, was mich wirklich von der Erreichung meiner Ziele abhält, dann komme ich weg von Ausreden. Im Zusammenhang mit dem Wunsch nach mehr Bewegung und einem fitten Körper könnte eine solche Analyse beispielsweise lauten:
„Was hält mich davon ab, mehrmals in der Woche zu joggen?“, „Fehlt es an der richtigen Kleidung für schlechtes Wetter?“, „Wäre es mir lieber Sport im Team zu treiben?“.
Bewährt hat sich die Formulierung sog. „Durchführungsvorsätze“, verbunden mit der Visualisierung konkreter Bilder .

Ein Beispiel: „Mittwoch und Freitag jogge ich. Wenn ich müde bin, ziehe ich trotzdem meine Sportschuhe an und gehe los“. Durch Mentales Kontrastieren wird nach Oetingen die Zielbindung (goal commitment) gestärkt. Durch das Abwägen zwischen Wunsch und Wirklichkeit findet man leichter heraus, welche Ziele Erfolg versprechend sind und welche nicht. An Ziele, die erstrebenswert und erreichbar sind, bindet man sich.
Ziele, die unrealistisch erscheinen, werden aufgegeben. Goal Commitment gleicht einer Energiebündelung für Wünsche, die umsetzbar sind – also für „kluge“ Wünsche.

In der Praxis können Sie so vorgehen:

 

 



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